Im Gespräch mit Vegan-Bikerin Katharina Wirnitzer

Du bist Sportwissenschaftlerin, aktive Leistungs-Sportlerin, lebst selbst seit vielen Jahren vegan und engagierst dich sehr dafür, das Thema Sport in Kombi mit veganer Ernährung den Menschen nahe zu bringen. Wie bist du selbst zur Veganerin geworden?
Ich komme aus einer Familie von Viehhändlern, Bauern, Metzgern und Jägern. Mir wurde ein Leben lang gesagt: „Das war schon immer so“ und „Die Tiere sind zum Essen da“. Mit 16 Jahren fiel dann der Vorhang, dass es den Tieren eben gar nicht gut geht. Von da an hab ich vegetarisch (9 Jahre) gelebt. Durch mein Sportstudium hat sich dann alles noch mehr verdichtet, dass für mich klar war, dass ich einfach vegan leben muss! Das war mit 25.

katharina_wirnitzerVeganer gelten oftmals als ziemlich radikal – wie siehst du das und vor allem: dich selbst?
Gute Frage wie ich mich sehe: Ich bin ich! Ich denke einfach konsequent bis zu Ende, weil ich keine Unwahrheiten und halben Sachen mag, und schon gar nicht wenn es irgendwem (egal ob Mensch oder Tier) schlecht dabei geht. Gerade das sollte man als Sportler gut nachvollziehen können! Viele Profisportler leben wegen der vielfältigen Vorteile für die sportliche Leistungsfähigkeit vegan! Ich habe mir einfach die Freiheit genommen – das kann jeder –, mein Leben in allen Bereichen nicht auf Ausbeutung und Leid von Wehrlosen aufzubauen. Und: Ich muss dabei auf absolut nichts verzichten! Vegan zu leben war – abgesehen davon meinen Mann zu heiraten – die beste Entscheidung meines Lebens.

Und wann und wie hast du dieses Thema dann als Forschungs- und Aktionsfeld für dich entdeckt?
Nach der Transalp Challenge 2003. Ich ging auf Recherche um dabei fest zu stellen, dass es an Forschung zu vegan und Sport, speziell Frauen und Mountainbiken, nichts gibt. Das hab ich dann einfach geändert. Der Hauptvorteil der veganen Ernährung liegt – speziell für Sportler – im erhöhten Angebot an Kohlehydraten. Also ist der hohe Energiebedarf im Rennen vegan einfach zu realisieren, weil bereits ein Durchschnitts-Veganer (Nichtsportler) besser mit Kohlenhydraten versorgt ist (> 60 %) im Vergleich zu Mischköstlern oder Vegetariern. Vegan ist nicht so kompliziert und aufwändig, wie die meisten meinen. Das ist völlig falsch! Mit Pasta, Pizza, Kartoffeln, Reis, Brot, Bananen, Manner-Schnitten, Trockenfrüchten, Nüssen, Müsli, Salat und ähnlichem mehr ist alles da, was man braucht und sich kulinarisch ersehnt, d. h. jeder is(s)t bereits zu mindestens 50 % vegan. Bei einem Rennen wie z. B. der Transalp Challenge unterscheidet sich ein vegetarisch-veganer Sportler nicht sehr vom Mischköstler.

Welche konkreten Ernährungsempfehlungen für Radsportler hast Du herausgefunden?
Es gibt allgemein gültige, anerkannte und auch im Rennen praktisch umgesetzte sportwissenschaftliche Ernährung-Richtlinien für die Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme für Training bzw. Radrennen für vor, während und (direkt und 24 h) nach der Belastung, allerdings noch keine speziellen Empfehlungen für Mountainbiker oder gar Frauen.

Meine Ergebnisse zeigen erneut, dass der Fokus für (alle, auch Kraft-)Sportler auf Kohlenhydraten liegen muss (!), egal ob im Alltag, im Training oder im Wettkampf. D. h. aber auch, dass Sportler endlich mal aufhören sollten sich über Protein Gedanken zu machen! Vielmehr muss sich jeder Sportler über seine Kohlenhydrat-Aufnahme Sorgen machen, weil gerade Kohlenhydrate völlig vernachlässigt werden und daher nicht nur die Alltags- sondern leider auch die Sportlerkost zu stark protein- und fettlastig ist. Das ist kontraproduktiv für die Leistung in Training und Wettkampf und vor allem für die Gesundheit als Basis für jegliches Aufbautraining. Auf Basis meiner Forschung und aktuellen Ernährungsempfehlungen habe ich zusammen mit PETA Deutschland die erste Broschüre für Veggie-Sportler entwickelt (zum Bestellen oder Download: www.peta.de/veganundsport).

Für die Feierabend-Runde oder eine lockere Trainingsausfahrt sind Supplemente grundsätzlich nicht notwendig. Für längere Tagestouren und Rennen sind Energie-Gels, -Riegel und kohlenhydratreiche isotonische Sportgetränke (handelsüblich) unerlässlich, sei es als Notreserve oder weil man sein Leistungsniveau, das man lange aufgebaut hat, im Rennen wirklich umsetzen will. Ohne hohe Energiezufuhr und hier vor allem aus Kohlenhydraten (mindestens (!) 70 %) läuft da nicht viel.

Protein ist der Nährstoff, der am stärksten fehlinterpretiert und missverstanden ist, und – das möchte ich mit allem Nachdruck betonen – bei weitem überbewertet wird. D. h. eine hohe Protein-Empfehlung bis zu 35 % ist keine physiologische Notwendigkeit, sondern allein eine Marketingstrategie! Bei sportlicher Höchstleistung ist eine Protein-Aufnahme von 8 – 15 % der Tagesenergie bei weitem ausreichend für den stärker belasteten Sportler–Stoffwechsel. Fazit: Zusätzliches Protein (Riegel, Shakes, Pülverchen, Pillen) ist nicht nötig!

Wegen all dieser Aspekte gibt es viele Hersteller die vegane Energienahrung anbieten, eine Liste (auszugsweise) findet ihr unter: www.peta.de/veganundsport. Du siehst, man muss als Veggie-Biker auf absolut nichts verzichten, um sportlich optimal versorgt zu sein.

Spürst du, dass sich eventuell ehemals vorhandene Skepsis in wachsendes Interesse verwandelt? Es scheint ja so, dass das Thema „vegan“ gesellschaftlich gerade etwas zum Trend wird – ist das im (Leistungs)Sportbereich auch der Fall?
Ja, das ist nicht nur zu spüren, das ist auch in Zahlen belegt. In Europa gibt es etwa 37 Millionen Veggies (Vegetarier und Veganer), und in den letzten 5 Jahren stieg der Anteil an der Gesamtbevölkerung auf 9 % in Deutschland (7 Millionen Vegetarier und 800.000 Veganer) und Österreich (760.000 Vegetarier und 80.000 Veganer), sprich beinahe jeder 10. Bürger is(s)t veggie. Darüber hinaus erwartet die weltweit größte Ernährungsorganisation eine weitere Verdoppelung dieser Zahlen bis 2020 (eine Verdoppelung erfolgte bereits 2009 auf 2011). Damit steigt auch die Zahl der Veggie-Sportler weltweit an. Allerdings müssen noch größere Studien folgen, um zu sehen, ob diese Zahlen auch im Sportbereich abgebildet sind – das ist ein weiteres Ziel meiner vergleichenden Laufstudie. Daher hoffe ich, dass möglichst viele mitmachen werden.

Quelle: www.girlsridetoo.de